OGH 7 Ob 38/23y

Sachverhalt:

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind seit 13 Jahren zusammen und seit 2019 verheiratet. Sie lebten bis September 2022 gemeinsam, bevor der Antragsgegner zu seinen Eltern zog. Nachdem die Antragstellerin eine Trennung ankündigte, fühlte sie sich verfolgt.

Der Antragsgegner wusste Details aus ihrem Leben, die er nicht wissen konnte. Im August 2022 beobachtete er die Antragstellerin heimlich bei einem Treffen mit einem Nachbarn. Obwohl es keinerlei weiteren Anhaltspunkte gab intensivierte der Ehemann seine Überwachungen, sodass das Leben der Ehefrau lückenlos verfolgt werden konnte.

Im September entdeckte sie eine versteckte Kamera in ihrem Wohnhaus, Fotoausdrucke ihrer Smartphone-Dateien, eine Rechnung für Überwachungskameras und SD-Karten sowie einen Peilsender in ihrem Auto.

Die Polizei sprach daraufhin ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen den Antragsgegner aus. Der Antragsgegner nutzte diese Überwachungsmaßnahmen, um Beweise für ein vermeintliches außereheliches Verhältnis der Antragstellerin zu sammeln, die er in einem Scheidungsverfahren verwenden wollte.

Rechtliche Ausführung:

Der OGH betont in seiner Entscheidung, dass der höchstpersönliche Lebensbereich den Kernbereich der geschützten Privatsphäre darstellt und auch private Handlungen in öffentlichen Räumen umfasst. Eine zu starke Einschränkung dieser Persönlichkeitsrechte könnte zu einer unerträglichen Beschränkung der Interessen anderer und der Allgemeinheit führen. Es bedarf einer umfassenden Interessenabwägung.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die Antragstellerin heimlich überwacht, um einen vermuteten Ehebruch nachzuweisen. Die Vorinstanzen halten die erlassene einstweilige Verfügung gemäß § 382d EO für gerechtfertigt, da die Überwachungsmaßnahmen auf bloßer Vermutung beruhten und in ihrer Eingriffsintensität nicht mit dem Engagieren eines Privatdetektivs vergleichbar sind.

Die einstweilige Verfügung nach § 382c EO kann bei Vorliegen eines körperlichen Angriffs, einer Drohung oder bei einem sonstigen schwerwiegenden Verhalten erlassen werden (7 Ob 38/21w mwN). “Psychoterror” ist nach subjektiven Kriterien zu beurteilen und rechtfertigt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn dadurch die psychische Gesundheit der Antragstellerin erheblich beeinträchtigt wird.

In der Entscheidung 7 Ob 151/17g erachtete der Oberste Gerichtshof bei dem vom Antragsgegner zu verantwortenden Überwachen und Ausspionieren der Telefonkontakte der Antragstellerin und seinen “Beweismittelbeschaffungen” (als Tonaufnahmegerät verwendetes, verstecktes Mobiltelefon in der Ehewohnung, Entnehmen von Haaren von der Haarbürste für einen Suchtmitteltest), die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO für gerechtfertigt. Dies gilt gleichermaßen für einstweilige Verfügungen nach § 382c EO (RS0110446 [T16]), da es sich um schwerwiegende Vertrauensbrüche und unerträgliche Eingriffe in die Privatsphäre handelt, die auch im Rahmen eines anhängigen Scheidungsverfahrens nicht zu tolerieren sind.

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